Wissenswertes

In meiner Arbeit begegnen mir immer wieder ganz praxisnahe Fragen rund um Hochbegabung: z. B. Langeweile im Unterricht, Zusammenhang von Intelligenz und Leistung, … In den kommenden Monaten wird hier Wissenswertes rund um intellektuelle Hochbegabung veröffentlicht und aus einer praxisorientierten Perspektive beantwortet, ohne den Forschungsstand zu ignorieren.

Falls Sie eher eine Frage zur Arbeit in meiner Praxis haben, werden Sie vielleicht auf meiner FAQ-Seite fündig: Häufige Fragen

Frage 1: Wie hängen Intelligenz und schulische Leistungen zusammen?

Ein Thema, das mir in der Beratung häufiger begegnet, ist die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Intelligenz und schulischen Leistungen und welche Faktoren darüber hinaus die schulischen Leistungen beeinflussen. Kann man von sehr guten Noten auf eine Hochbegabung schließen? Schließen Noten im Mittelfeld eine Hochbegabung aus?

Es gibt in der Forschung zahlreiche Untersuchungen zu der Frage, wie Intelligenz und Leistung (z. B. gemessen in Schulnoten) zusammenhängen. Generell kann man sagen, dass Intelligenz und Leistung zwar zusammenhängen. Es gibt jedoch weitere Einflussfaktoren auf die Leistung, beispielsweise Motivation und Interesse, Anwendung von Lernstrategien und Unterrichtsgestaltung.

Motivation und Interesse

Bei der „Motivation“ geht es um die Frage, warum wir uns so verhalten wie wir es tun: Streben wir bestimmte Ziele an? Arbeiten wir auf etwas hin oder wollen wir vielleicht etwas Bestimmtes vermeiden? Während manche Kinder das Ziel anstreben, mit möglichst wenig Aufwand durch die Schule zu kommen, streben andere Kinder z. B. einen konkreten Notendurchschnitt an. Manchmal ist das ein unauffällig wirkender, aber trotzdem guter Notendurchschnitt. In anderen Fällen sind Kinder nur mit einem Durchschnitt von 1,5 und besser zufrieden.

Letztlich kann das Ziel, einen sehr guten Notendurchschnitt zu erreichen, ein geringes Interesse an bestimmten Schulfächern ausgleichen. So sind auch in den eher als langweilig/unnötig empfundenen Fächern erstaunlich gute Noten möglich, wenn ein Kind einen hohen Notendurchschnitt anstrebt. Genauso sind in einigen Fällen auch gute bis sehr gute Noten möglich, wenn ein Kind ein etwas geringeres intellektuelles Potenzial hat, sich jedoch besonders anstrengt und viel Zeit in das Lernen investiert, weil es besonders motiviert ist.

Anwendung von Lernstrategien

Im Grundschulalter verinnerlichen viele höher intelligente Kinder den Unterrichtsstoff, ohne sich hierfür anzustrengen und Lernstrategien anzuwenden. Häufig reicht es für solche Kinder aus, im Unterricht zuzuhören oder die Übungs-/Wiederholungsaufgaben zu bearbeiten. Wenn im Laufe der Schuljahre die Anforderungen steigen, können die Leistungen des Kindes plötzlich einbrechen – obwohl sich an seiner Intelligenz und seiner Fähigkeit, zuzuhören, nicht viel verändert hat.

Häufig stellt sich dann heraus, dass das Kind auf einmal mit der Menge an Unterrichtsstoff und Hausaufgaben überfordert ist. Im Gegensatz zu den anderen Kindern seiner Klasse hat es jedoch nicht gelernt, Lernstrategien anzuwenden und die Hausaufgaben und Lernzeiten zu strukturieren. Es ist dann erstmal so überrascht von dieser Herausforderung, dass es intuitiv nicht in der Lage ist, sich Lernstrategien anzueignen. Hohe Intelligenz ist also keineswegs eine Garantie für hohe Leistungen – es können Situationen eintreten, in denen eine Art Methodenkoffer mit Lernstrategien unerlässlich für gute Noten ist.

Unterrichtsgestaltung

Ein Thema, das während der Grundschulzeit relevanter zu sein scheint als auf der weiterführenden Schule ist die Frage nach der Unterrichtsgestaltung. Nicht selten berichten mir höher intelligente Grundschulkinder, dass sie sich im Unterricht mit den vielen Wiederholungsaufgaben so sehr langweilen, dass sie die Aufgabenbearbeitung verweigern, anfangen zu träumen oder zu stören. Von außen betrachtet kann es so wirken, als ob die Aufgaben für die Kinder zu anspruchsvoll sind. Manchmal vermuten Lehrkräfte auch eine eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit.

Häufig stellt sich bei der Hochbegabungsdiagnostik heraus, dass das Kind durchaus intelligent und zu hohen Leistungen fähig ist – es vermeidet lediglich, teilweise viele Stunden pro Woche (vormittags in der Schule und dann noch bei den Hausaufgaben) Aufgaben auszuführen, die auf das Kind wie eine Beschäftigungsmaßnahme wirken, bei der das Kind nichts mehr lernen kann.

Fazit

Intelligenz ist bei Weitem nicht der einzige Faktor, der die schulische Leistung beeinflusst. Es gibt viele Faktoren, die ebenfalls auf die gezeigte Leistung einwirken. Manchmal berichten Kinder von sich aus, was bei ihnen los ist – manche Faktoren erzählen sie erst im Gespräch, wenn sie gefragt werden. Von sehr guten Noten kann man nicht direkt auf eine Hochbegabung schließen (vielleicht ist das Kind äußerst motiviert) und genauso kann eine Hochbegabung nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Kind Leistungen im Mittelfeld zeigt.